Das Helfersyndrom verstehen
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Wer anderen Menschen ständig hilft, denkt dabei niemals an sich und ist absolut selbstlos. Eine ganz klare Sache – oder etwa doch nicht? Was nach außen hin wie selbstloses Märtyrertum aussieht, ist in Wirklichkeit vielleicht mehr Eigennutz, als du dir eingestehen möchtest. Viele “chronische Helfer” leben quasi vom Gefühl, gebraucht zu werden. Nur wenn sie anderen helfen und dafür Dankbarkeit erhalten, glauben sie, etwas Wert zu sein. Somit brauchen die Helfer den Hilfsbedürftigen am Ende vielleicht sogar mehr als umgekehrt. Vielleicht ist das ja auch bei dir der Fall? Um das herauszufinden, hilft nur Selbstreflexion. Daher solltest du – auch wenn es weh tut – ehrlich hinterfragen, warum du anderen ständig helfen musst und was du daraus beziehst. Das ist der notwendige erste Schritt, um dein Leben zum Positiven zu verändern und in deiner Persönlichkeitsentwicklung voranzukommen.
Sollte es bei dir der Fall sein, dass dein Helfersyndrom auf dem Bedürfnis nach Anerkennung und Wichtigkeit fußt, solltest du dir überlegen, auf welchen anderen Wegen du diese erhalten könntest. Versuche auch, dich an bestimmte Situationen in deiner Kindheit zu erinnern. Haben dich deine Eltern vielleicht für ihre Gefühle verantwortlich gemacht? Typische Beispiele hierfür sind Sätze wie “Wenn du … nicht machst, ist Mama ganz traurig”. Aus einem derartigen Verhalten der Eltern resultiert oft ein Helfersyndrom in den Kindern. Dabei solltest du dir jedoch bewusst machen, dass dein Wert nicht davon abhängt, was du für andere tust. Jeder Mensch hat Wert, alleine, weil er einfach ist. Darüber hinaus gibt es auch noch viele andere Möglichkeiten, um dir Anerkennung und Bestätigung zu holen. Finde heraus, wo deine Talente und Neigungen liegen, und suche dir ein Hobby oder vielleicht sogar eine Arbeit, in denen du diese voll ausleben kannst. Du wirst sehen, dass es auch abseits des Helfens Bereiche gibt, in denen du Außergewöhnliches zustande bringen kannst. Und das bringt dir letztendlich nicht nur Anerkennung, sondern auch viel Energie sowie das gute Gefühl, dich um dich selbst gekümmert zu haben.
Ein wirklich starkes Selbstwertgefühl kommt immer von innen und niemals von außen. Anerkennung von anderen Menschen, beruflicher Erfolg, ein schnelles Auto und teure Klamotten sind daher niemals eine stabile Basis für einen starken Selbstwert. Ganz im Gegenteil, alles, was von außen kommt, kann im Nu weg sein – und mit ihm dein Selbstwert.
Wahrer Selbstwert entsteht erst dann, wenn du es schaffst, dich so anzunehmen, wie du bist, und die innere Stimme, die dir ständig sagt, wie schlecht und falsch du doch seist, zu bändigen. Beginne daher damit, dir bewusst und ruhig auch laut vor einem Spiegel vorzusagen, dass du in Ordnung und toll bist. Nimm dir dafür jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Zeit und sprich so liebevoll mit dir, wie du es mit deiner besten Freundin tun würdest. Und zu dieser würdest du doch niemals sagen, wie schlecht und fehlerhaft sie doch ist, oder? Mit der Zeit wird es dir so gelingen, die kritische Stimme in deinem Kopf durch eine liebevolle zu ersetzen und echten Selbstwert aufzubauen, der nicht von der Anerkennung andere Menschen abhängig ist.
Helfen ist etwas überaus Edles, es sollte dabei aber wie alles andere auch seine Grenzen haben. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass du versuchst, dein Helfersyndrom so weit unter Kontrolle zu bekommen, dass du es für dich und andere produktiv einsetzen kannst. Der erste Schritt hierfür liegt darin, dein Geben zu begrenzen. Fragt dich das nächste Mal jemand um einen Gefallen, sage nicht gleich bedingungslos Ja, sondern begrenze zum Beispiel die Zeit, die du zur Verfügung stellst. Sage deinem Gegenüber, dass du zehn Minuten Zeit hast, um zu helfen, und halte diese Grenze auch strikt ein. Du musst also nicht gleich Nein sagen, solltest dabei jedoch die Bedingungen für deine Hilfe festlegen.
Viele Menschen, die unter dem Helfersyndrom leiden, scheuen sich regelrecht davor, auch selbst einmal um Hilfe zu bitten. Sie fürchten, dann schwach und hilfsbedürftig zu wirken, anderen zur Last zu fallen oder gar auf Ablehnung zu stoßen. Dabei sollte das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen aber eigentlich immer ausgeglichen sein. Versuche daher, dich zu überwinden, und andere auch einmal um etwas zu bitten. Klar, um Hilfe zu bitten macht verletzlich, aber sich diese Verletzlichkeit einzugestehen, ist letztendlich wahre Stärke. Du musst auch nicht gleich sofort von null auf hundert loslegen, sondern kannst ruhig klein anfangen. Beginne damit, Freunde oder Kollegen bei der Arbeit um kleine Gefallen zu bitten. Dann kannst du dich Schritt für Schritt steigern, bis es dir gelingt, andere auch bei etwas wirklich Wichtigem um Hilfe zu bitten. Auf jeden Fall solltest du dich aber immer ehrlich und aufrichtig bedanken.
Es gibt Menschen, die immer nur geben wollen, und es gibt Menschen, die immer nur nehmen wollen. Selbstverständlich gibt es zwischen diesen beiden Extremen ein breites Spektrum an Mischformen, treffen Geber und Nehmer jedoch aufeinander, sollte der Geber sehr gut aufpassen. Für Nehmer sind Geber nämlich so etwas wie ein Lotto-Jackpot, denn endlich haben sie jemanden gefunden, der unaufhörlich gibt. In dieser Konstellation läufst du große Gefahr, ausgenutzt zu werden – und zwar so lange, bis du nicht mehr kannst. Aus diesem Grund solltest du die Gesellschaft von Nehmer-Typen unbedingt meiden. Erkennen kannst du diese am besten daran, dass sie dir auch nach mehrmaligem Bitten jeden Gefallen abschlagen, sich im Gegensatz dazu aber ständig von dir helfen lassen. Beobachtest du so ein Verhalten in deinem Umfeld, suche bitte schleunigst das Weite.
Gerne zu helfen und ein Geber zu sein, ist nicht automatisch etwas Schlechtes und etwas, das du von Grund auf ändern solltest. Oft kommt es auch einfach auf das richtige Umfeld an. Dieses entscheidet in vielen Fällen darüber, ob du als gebende Person glücklich oder unglücklich bist. So sollte es dir die Möglichkeit der Selbstverwirklichung bieten und aus Menschen bestehen, die nicht nur von dir nehmen, sondern dir auch dementsprechend zurückgeben. Dies verhindert, dass du ausgenutzt wirst und letztendlich womöglich psychische Probleme entwickelst. Im richtigen Umfeld können sich die positiven Aspekte deiner Geber-Natur voll entfalten und sowohl andere als auch du von diesen profitieren.
Wusstest du eigentlich, dass zwischen solidarischer und pathologischer Hilfe unterschieden wird? Erstere hat immer den Nutzen für alle Beteiligten im Blickpunkt, während Letztere ausschließlich die psychischen Bedürfnisse des Helfers befriedigen soll.
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