Die Kunst richtig Kritik zu üben
Egal ob im Berufsleben, unter Freundinnen oder innerhalb der Familie: konstruktive Kritik zu üben fällt den meisten Menschen schwer. Einen anderen Standpunkt zu vertreten fühlt sich nicht immer angenehm an. Tatsächlich kann es mitunter sehr demütigend sein, Kritik auf unangemessene Weise zu erfahren. Schlechte Nachrichten hört niemand gern; es ist daher von großer Bedeutung für den alltäglichen sozialen Kontakt, anderslautende Meinungen ansprechen zu können ohne seine Mitmenschen zu verletzen. Die folgenden Tipps helfen dir dabei Kritik sachlich und konstruktiv zu äußern, um deinen Standpunkt zu verdeutlichen.
Unsere Tipps
Eine Meinung zu äußern stellt für die meisten Menschen kein Problem dar. Mit der bekannten Holzhammermethode wird der eigene Standpunkt – ohne Rücksicht auf Verluste – herausgepoltert. Das Ergebnis: dem Gesprächspartner widerfährt eine Verletzung, die vermeidbar gewesen wäre. Um Kritik angemessen anzubringen bedarf es weder eines Holzhammers noch lauten Gepolters – und Rücksicht auf die Gefühle anderer sollte ohnehin selbstverständlich sein. Wer andere Menschen kritisieren möchte, sollte also selbst kritikfähig sein.
Jeder wurde in seinem Leben bereits kritisiert, auch du. Um sich in dein Gegenüber hineinzuversetzen hilft es, wenn du dich an eine Situation erinnerst, in der du kritisiert wurdest. Was hast du in diesem Moment empfunden? Im Grunde ist Kritik zunächst nichts anderes als eine subjektive Beurteilung einer Situation oder Person. Und weil Subjektivität ein zentrales Element der Kritik ist, solltest du dir bewusstmachen, dass deine Nachricht sowohl positive als auch negative Folgen auslösen kann. Fühle dich in dein Gegenüber hinein bevor du Kritik aussprichst.
Konstruktive Kritik kann ein wunderbarer Motivationsfaktor sein, der dich selbst und andere zu ungeahnten Taten antreibt. Genauso können kritisierende Äußerungen den Tatendrang anderer aber auch zum Erliegen bringen, wenn diese in unangemessener Weise ausgesprochen werden. Wie Kritik bei deinem Gegenüber ankommt, hängt unter anderem von den folgenden Faktoren ab:
- Der Berechtigung: Ist deine Kritik berechtigt oder unberechtigt?
- Der Erscheinungsform und der Motivation dahinter: Der Ton macht bekanntlich die Musik – erst recht bei kritisierenden Äußerungen.
- Dem Ziel der Kritik: Wie deine Äußerungen ankommen, hängt maßgeblich davon ab, ob du eine Handlung, ein Verhalten oder ein Ergebnis oder eine Person kritisierst und auch ob du es mit einer wohlwollenden Intention tust oder nicht.
- Der sozialen Beziehung: In welcher Beziehung du zu deinem Gesprächspartner stehst, entscheidet darüber, wie Kritik verstanden wird. Je näher du einem Menschen stehst, desto eher werden deine Äußerungen als wohlwollend angesehen.
- Deiner Persönlichkeit: Ob deine Kritik ernst genommen wird, hängt auch von deinem Umgang mit möglichen Makeln anderer ab.
- Den persönlichen Erfahrungen: Welche Erfahrungen ein Mensch im Laufe seines Lebens gesammelt hat, prägt seinen Umgang mit Kritik erheblich.
Jeder der genannten Faktoren wirkt sich mehr oder weniger stark auf den Umgang mit kritisierenden Handlungen aus. Mache dir stets bewusst, welch komplexe Mechanismen hinter den menschlichen Reaktionen auf deine Äußerungen stecken. Je sachlicher du deine Kritik anbringst, desto weniger offensiv empfinden deine Gesprächspartner deine Meinungsäußerungen.
Wenn du Kritik üben möchtest, solltest du das besser nicht spontan tun. Mindestens eine Denkpause, besser sogar einen deutlichen Abstand zu einer ärgerlichen Situation zu schaffen, hilft dir dabei, deine kritisierenden Anmerkungen angemessen anzubringen. Empfehlenswert ist sogar, das Ereignis zu überschlafen, um seine Meinung erst am nächsten Tag kundzutun. Damit eliminierst du spontane, meist eher negative, Emotionen. Der Unterschied ist enorm: anstatt bloß deinen Unmut zu äußern, kannst du deine Kritikpunkte dort anbringen, wo diese sich als förderlich erweisen.
Bei der Äußerung von konstruktiver Kritik ist es wesentlich strukturiert und sachlich zu agieren. Das fängt für dich bereits bei der Einleitung eines Gesprächs an. Anstatt sprichwörtlich mit der Tür ins Haus zu fallen und somit deinen Gesprächspartner zu überraschen, solltest du gemeinsam mit deinem Gegenüber einen Termin für ein Kritikgespräch festlegen. Auf diese Weise können alle Beteiligten sich auf das Gespräch vorbereiten und es ist gleichzeitig sichergestellt, dass ausreichend zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen.
Für ein fruchtbares Gespräch ist wichtig, dass Gesprächsteilnehmerinnen mögliche Kritikpunkte aus der eigenen Perspektive darstellen. Viele Menschen äußern Kritik meist schon deshalb auf eine unangemessene Weise, weil sie mit offensiven Verallgemeinerungen arbeiten. Aussprüche wie „Immer kommst du zu spät…“ sind dir bestimmt schon des Öfteren begegnet. Derartige Aussagen verwandeln einen einzelnen Kritikpunkt in eine vermeintlich allgemeingültige negative Verhaltensbewertung der angesprochenen Person. Das führt zu Unmut und hat mit konstruktiver Kritik wenig zu tun.
Besser ist es, eigene Aussagen aus der Ich-Perspektive zu formulieren, aus der gleichzeitig hervorgeht, welche inneren Prozesse in der ärgerlichen Situation abgelaufen sind. Sage also lieber „Ich warte schon seit einer Stunde auf dich und habe mir Sorgen gemacht“. Zudem solltest du so oft es geht mit Beispielen arbeiten, um sicherzustellen, dass dein Feedback von deinem Gesprächspartner auch verstanden wird.
Beherzigst du den Tipp, Kritik nicht spontan zu äußern, gewährt dir das die Möglichkeit, dich intensiv auf das bevorstehende Gespräch vorzubereiten. Besonders hilfreich ist es, Kritikgespräche mit einer befreundeten Person oder deinem Partner zu simulieren. Auch wenn die Reaktionen im Rahmen dieser Simulation wahrscheinlich nicht denen des „echten Gesprächs“ entsprechen, kann du vor allem daran arbeiten, den Gesprächsrahmen zu verbessern.
Übe mit einer ruhigen Stimme zu sprechen, achte jedoch darauf, bestimmt zu klingen. Weil der Ton die Musik macht, erzeugen schrille oder donnernde Tonlagen bei dem Kritikempfänger das Gefühl eines verbalen Angriffs. Dein Partner für die Gesprächssimulation kann dir somit wertvolles Feedback zu deiner Stimmlage, deinem Sprechtempo und der Art deiner Formulierungen geben. So kannst du deinen Gesprächsstil im Rahmen mehrerer Übungsdurchgänge verbessern und Kritik wesentlich konstruktiver und zielgerichteter anbringen.
Vielen Menschen sind Kritikgespräche enorm unangenehm. Das gilt für unerfahrene Feedback-Geber ebenso wie für den Empfänger vermeintlich schlechter Nachrichten. Personen, die Kritik erfahren, fürchten sich oft vor einem Gesichtsverlust und sehe ihre gute Reputation bedroht. Das lässt die Stimmung schnell kippen, sodass aus einer konstruktiv gemeinten Kritik schnell ein gefühlter Angriff wird.
Wenn du Kritik üben möchtest, sollte eine Regel für dich selbstverständlich sein: Schaffe einen geschützten Gesprächsrahmen und agiere mit deinem Kommunikationspartner unter vier Augen. Schließlich möchte niemand kritisches Feedback im Beisein umstehender Personen erhalten und sich womöglich Fehler eingestehen. Das vertraute Gespräch ist daher für dich als Kritikgeber ein absolutes Muss.
Kritik auszusprechen ist die eine Sache. Die andere ist, auf das erhaltene Feedback auch Taten folgen zu lassen. Dass stets beide Seite mit dem Ergebnis zufrieden sind ist zwar wünschenswert, je nach Art der ärgerlichen Situation jedoch nicht immer realistisch. Kritik und Kompromiss sind also nicht gleichzusetzen. In jedem Fall gesetzt werden sollten aber konkrete Ziele, damit nicht nur die Argumentation nachvollziehbarer wird, sondern der Kritikempfänger die Möglichkeit erhält das Ärgernis aus dem Weg zu räumen.
An das Ende des Kritikgesprächs solltest du also stets eine Zielvereinbarung stellen. Darin halten sämtliche Gesprächsteilnehmer fest, auf welche Weise das kritisierte Verhalten abgestellt werden soll und bis zu welchem Zeitpunkt die Änderung vollzogen sein muss. Ohne einen Ausblick auf eine Verbesserung und Klarheit darüber, worin diese bestehen sollte, ist geäußerte Kritik schließlich wenig konstruktiv und für den Empfänger letztlich nicht verwertbar.
Grundsätzlich sind Menschen auf ein positives Selbstbild angewiesen – und sie verhalten sich auch dementsprechend. Das gute Bild von eigenen Selbst aufrecht zu erhalten geht soweit, dass Kritikäußerer weitestgehend aus dem eigenen Bekanntenkreis ausgeschlossen werden. Das haben Forscher von der Harvard Business School anhand eines sozialen Experiments herausgefunden. Sich mit Menschen zu umgeben, die Kritik offen äußern, ist demnach eher unerwünscht. Überprüfe diese These an deinem eigenen Bekanntenkreis: Zu wie vielen Menschen hast du regelmäßig – und vor allem gern – Kontakt, die dich in der Vergangenheit offen und ehrlich kritisiert haben?
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