Mehr Lebensgefühl: Vom Denken zum Spüren

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„Das Geheimnis des Genießens liegt darin, sich in diesem Augenblick den Kopf von anderen Dingen freizuhalten.“ Dr. Doris Wolf, Psychotherapeutin
Termine, Pflichten, Entscheidungen, … Unser Alltag ist stark geprägt vom Denken, von unserem Verstand. Das hat auch seine Berechtigung, schließlich gehört das Denken zu unseren herausragendsten Fähigkeiten. Aber kommt dabei nicht manchmal etwas zu kurz? Das Bauchgefühl, das Fühlen, Spüren und Erfahren nimmt leider nicht besonders viel Platz in unserem Leben ein, und das ist sehr schade. Wir geben dir Tipps, wie du vom Denken wieder mehr ins Spüren kommst und ein ganz neues Lebensgefühl entwickeln kannst.

Unsere Tipps

1 Gefühl und Gedanke – was ist zuerst da?

Viele Menschen wissen gar nicht, wie eng Gefühle und Gedanken miteinander verbunden sind, dabei bilden sie eine untrennbare Einheit. Ein Beispiel: Du bist morgens spät dran und kippst dir dann auch noch den Kaffee über die frische Hose. Was passiert dann? Vielleicht denkst du dir: „Ich bin doch wirklich unfähig!“ oder „Na, der Tag ist jetzt schon gelaufen, der kann ja nur schrecklich werden!“ Beide Gedanken sorgen für negative Gefühle, für Wut auf dich selbst oder auf ein unbestimmtes Pech, für schlechte Laune, Niedergeschlagenheit und wenig Motivation. Diese Gefühle bringen wiederum die Gedanken zum Überkochen. In jede Kleinigkeit interpretierst du mehr hinein als sonst. Das verstärkt die schlechten Gefühle. Im schlimmsten Fall bauschen sich Gedanken und Gefühle gegenseitig immer weiter auf. Den gleichen Effekt gibt es natürlich auch im Positiven, mit Freude, Glück und Zuversicht sowie den dazu passenden Gedanken. Beobachte dich doch in den nächsten Tagen mal genau: Was kommt zuerst, Gedanken oder Gefühle? Und welcher Kreislauf wird dadurch in Gang gesetzt? Die vielleicht wichtigste Erkenntnis daraus: Emotionen sind nichts, das dich einfach überrollt, ohne dass du etwas dagegen tun kannst. Sie werden durch deine Gedanken beeinflusst und umgekehrt. Beide Aspekte sind es wert, beachtet zu werden, denn beide sind für dein Glück gleich wichtig – auch wenn sich die Gedanken häufig in den Vordergrund drängen.

2 Atempause: Erst wahrnehmen, dann handeln

Wenn etwas nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben, dann neigen wir dazu, sofort etwas zu unternehmen: Wir versuchen, die Situation zu verändern oder wir schimpfen auf diejenigen, die vermeintlich schuld an der Lage sind. Damit schießen wir aber häufig über das Ziel hinaus und zerschlagen mehr Porzellan, als die Sache wert ist. Wenn es dir auch öfter so geht, dann probiere doch mal diese Übung aus:

  • Wenn du dich gerade ärgerst oder traurig bist, dann halte einen Moment lang inne und erlaube dir, einfach nur in dich hineinzuspüren.
  • Nimm wahr, wie du dich fühlst. Spür noch genauer nach: Wo im Körper sitzt die Anspannung, die Wut, die Unzufriedenheit?
  • Fühle in diese negativen Gefühle hinein und halte sie ein Weilchen aus. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie schon nach wenigen Minuten von selbst abnehmen. Dann hast du den Kopf wieder frei, um konstruktiv darüber nachzudenken, was du tun willst.
3 Bei dir selbst bleiben

Gedanken können in alle Richtungen schießen und von der Vergangenheit bis in eine weit entfernte Zukunft reisen. Das Spüren ist anders: Es verbindet dich mit dem Hier und Jetzt. Spüren kannst du nur in diesem Moment, und das tut unendlich gut. Indem du einfach in deinen Körper hineinspürst oder bewusst deine Umgebung wahrnimmst, entschleunigst du und kannst wieder besser wahrnehmen, was wirklich wichtig ist im Leben.

4 Das Leben mit allen Sinnen spüren

Wir alle sehnen uns nach Sinnlichkeit im Leben, nach ganz konkreten körperlichen Sinneserfahrungen. Sorge dafür, dass du das Leben in seiner ganzen Fülle erfahren kannst, indem du so oft wie möglich alle deine Sinne ansprichst. Ein paar Beispiele:

  • Gib deinen Händen etwas zu spüren, indem du zum Beispiel töpferst, einen Brotteig knetest oder mit einem Kind im nassen Sand spielst. Erspüre Stoffe und Texturen. Nimm einen geliebten Gegenstand in die Hand und lasse ihn mit geschlossenen Augen durch deine Finger gleiten. Stecke eine Murmel, eine Kastanie oder einen Kieselstein als Handschmeichler in deine Jackentasche.
  • Richte deinen Blick mehrfach am Tag weg von Bildschirm und Smartphone und blicke einfach in die Ferne. Gönne deinen Augen Natur: Wolken, Wälder, Wiesen, Berge, Flüsse und das Meer tun uns unendlich gut.
  • Erlaube dir, dich voll und ganz in Musik zu versenken. Experimentiere ruhig auch mal mit Musik aus ungewohnten Richtungen. Wie wäre es zum Beispiel mal mit Schamanentrommeln oder Electroswing?
  • Umgib dich mit angenehmen Gerüchen. Riech an deinem Brot oder deiner Mandarine, bevor du hineinbeißt. Stelle eine Duftlampe oder ein Räuchermännchen auf. Und gönne dir mal wieder ein neues Parfüm.
  • Lass dich bei deinen Mahlzeiten nicht vom Smartphone oder Fernseher ablenken, sondern konzentriere dich ganz auf den Geschmack. Entdecke Lebensmittel, die dir bisher fremd waren, und finde neue Aromen und Kombinationen, die du magst.
  • Sorge für ein erfüllendes Sexleben, im Zweifelsfall mit dir alleine.
5 Wahrnehmen statt bewerten

Wir neigen dazu, alles, was uns begegnet, zu bewerten. Wir entscheiden ständig, ob wir etwas gut oder schlecht, schön oder hässlich, klug oder dumm, geschickt oder ungeschickt finden. In Maßen ist das auch sinnvoll, aber die meisten Menschen übertreiben es damit und machen sich unglücklich. Der Grund: Wenn du alles um dich herum bewertest, bewertest du auch dich selbst. Du prüfst ständig, ob du schön, klug, mutig, geschickt und reich genug bist, und das setzt dich unter gewaltigen Druck. Entspannter und glücklicher wirst du, wenn du auf das Bewerten so weit wie möglich verzichtest. Und das gelingt, indem du deinen Fokus auf die Wahrnehmung richtest. Gewöhne dir an, Emotionen, Erfahrungen und Beobachtungen einfach nur wahrzunehmen. Dabei hilft diese Übung: Suche dir einen beliebigen Gegenstand, zum Beispiel ein Bild, eine Pflanze oder einen Stein. Schaue dir den Gegenstand ganz genau an und beschreibe ihn in Gedanken. Dabei wirst du feststellen, dass alle möglichen Gedanken hochkommen:

  • Erinnerungen
  • Emotionen
  • Assoziationen
  • und eben auch Bewertungen („hässlich“, „schön“ usw.)

Immer, wenn solche Impuse entstehen, nimmst du sie wahr, schenkst ihnen aber keine Aufmerksamkeit. Stattdessen wendest du dich wieder dem zu, das du direkt wahrnehmen kannst. Probiere diese Übung im Alltag so oft wie möglich aus, sie funktioniert auch im Bus, im Wartezimmer, im Café oder zu jeder anderen Gelegenheit, in der du ein paar Minuten Zeit hast.

6 Übung: Bodyscan

Der Bodyscan ist eine Achtsamkeitsübung, die dir hilft, die Wahrnehmung für deinen Körper zu verbessern. Außerdem ist die Übung sehr entspannend und bringt dich ins Hier und Jetzt zurück. Und so geht’s:

  • Lege oder setze dich gemütlich hin und schließe die Augen. Wenn du dazu neigst, bei solchen Übungen schnell einzuschlafen, wähle lieber eine sitzende Position und/oder lasse die Augen geöffnet.
  • Beobachte für einige Minuten deinen Atem, ohne ihn verändern zu wollen. Nimm einfach wahr, wie er sich anfühlt. Wo kannst du die Atembewegungen spüren? Ist der Atem eher tief und ruhig oder eher flach und hektisch? Egal, wie du gerade atmest, es ist in Ordnung so. Du musst nichts ändern.
  • Wandere jetzt mit deiner Aufmerksamkeit zu deinen Füßen. Wie fühlen sie sich an? Spürst du den Kontakt zur Unterlage? Sind sie entspannt oder angespannt? Ist ihnen warm oder kalt? Auch hier: Es geht nicht darum, irgendetwas zu verändern, sondern nur um die Wahrnehmung.
  • Nach und nach schickst du deine Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper: die Unterschenkel, Oberschenkel, das Geschlecht, den Bauchraum, den Rücken, die Schultern, Arme und Hände, den Hals und den Kopf. Wenn deine Gedanken abschweifen, lenke sie einfach sanft wieder zurück in deinen Körper.
  • Wenn du auf diese Weise deinen ganzen Körper gescannt hast (das dauert etwa eine halbe Stunde), kehrst du mit der Aufmerksamkeit wieder zu deinem Atem zurück. Beobachte ihn noch einen Moment und richte deine Aufmerksamkeit dann wieder auf deine Umwelt.
  • Öffne die Augen, recke und strecke dich und komme wieder in der Alltagsrealität an.
7 Übung: Intuitives Schreiben

Wenn es dir trotz aller Bemühungen schwerfällt, deine Gedanken im Zaum zu halten und dich dem Spüren zuzuwenden, dann ist das intuitive Schreiben vielleicht eine Möglichkeit für dich. Bei dieser Technik kannst du schreibend einen Zugang zu deinem Unbewussten finden und herausfinden, was dich unterhalb der Alltagsgedanken gerade beschäftigt, wie es dir geht, welche Träume und Wünsche du hast. Der große Vorteil: Bei dieser Übung wird der Verstand nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern wird zum Werkzeug. Das fällt vielen Menschen leichter. So geht das intuitive Schreiben:

  • Nimm dir etwa eine halbe Stunde Zeit, die du mit Schreiben verbringen willst. Mache es dir gemütlich und sorge dafür, dass du für eine Weile nicht gestört wirst. Lege Papier und Stift bereit. Wenn du möchtest, schreibst du in ein schönes Notiz- oder Tagebuch, aber ein einfaches Blatt Papier tut es auch.
  • Schließe kurz die Augen und achte einen Moment auf deinen Atem, um zur Ruhe zu kommen.
  • Dann schreibst du einfach drauflos. Egal, was dir einfällt, du schreibst es auf, ohne zu bewerten oder zu zensieren. Rechtschreibung, Kommasetzung und strukturiertes Denken spielen jetzt keine Rolle. Schreib einfach ohne Punkt und Komma auf, was dir in den Kopf kommt. Wichtig ist, dass du im Schreibfluss bleibst. Wenn du gerade nicht weiterweißt, schreibst du einfach das letzte Wort immer wieder auf, bis dir wieder etwas einfällt.
  • Wiederhole die Übung möglichst täglich. Wahrscheinlich tauchen immer wieder die gleichen Themen auf, bis sie dann schließlich nachlassen und etwas Neues entsteht. Nimm diese Veränderung wahr und freue dich daran.
!Wusstest du eigentlich...

Neben den bekannten fünf Sinnen (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Tasten) gibt es noch vier weitere Sinne beim Menschen: den Temperatursinn, die Schmerzempfindung, den Gleichgewichtssinn und die Körperempfindung, mit der wir die Position unseres Körpers wahrnehmen.

Bildnachweis: Luna Vandoorne/Bigstock.com

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