Aussteigen mit 40?

Pro

Das Leben ist kurz

Aus dem System aussteigen. Alternativ leben. Vielleicht den Umzug in ein neues Land wagen? Oder von einer Stadtwohnung in eine Bauernhof-WG ziehen? Aussteigen vom Alltag, von gesellschaftlichen Normen, von Stress und Hektik. Für viele Menschen ist das ein Traum und für die allermeisten davon wird es das auch bleiben.

Aber warum eigentlich? Wenn wir von einer Alternative träumen, dann doch deshalb, weil wir mit unserem jetzigen Leben nicht glücklich sind. Also ist der naheliegende Schluss, das Leben so zu verändern, dass es uns zufrieden macht.

Ich finde, mit 40 ist der ideale Zeitpunkt dafür gekommen. Man hat die Mitte des Lebens erreicht, hat den jugendlichen Leichtsinn hinter sich gelassen und weiß, was man will. Sehr viele Menschen kommen in diesem Alter an einen Punkt, an dem sie ihr bisheriges Leben hinterfragen und nach dem Sinn des Lebens suchen. Werte wandeln sich. Statt Wohlstand und Macht werden Selbstbestimmtheit und Einfachheit dann oft erstrebenswerter.

Wer das Abenteuer „Aussteigen“ dann wirklich wagt, gilt schnell als verrückt oder weltfremd. Meiner Meinung nach spricht aus dieser Ablehnung der pure Neid. Wenn jemand einen anderen Weg findet, um glücklich zu werden, dann bewundere ich ihn für seinen Mut. Ich plädiere dafür: Habt keine Angst davor, anders zu sein. Das Leben ist zu kurz, um unglücklich zu sein. Wir sollten aufgeschlossener sein und wertschätzen, dass es Menschen gibt, die unsere Welt bunter und freier machen.

Contra

Mein Leben gefällt mir

Ich mag mein Leben, meine Beziehung erfüllt mich, meine Familie unterstützt mich, ich habe eine schöne Wohnung, mein Beruf macht mir Spaß, ich wohne gerne in meiner Stadt, ich schätze meine Nachbarn, ich liebe die Jahreszeiten – mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Warum sollte ich das alles aufs Spiel setzen?

Ich weiß, dass viele Menschen vom Aussteigen träumen: Da ist eine unerfüllte Sehnsucht. Potenziale können nicht verwirklicht werden. Gesellschaftliche Strukturen engen ein. Aber ist das Aussteigen wirklich die Lösung? Probleme haben ihre Ursache doch nicht nur im Außen. Wenn es schlecht läuft, dann kann das auch an der inneren Einstellung oder der eigenen Kompromisslosigkeit liegen – und die nimmt man mit – egal, wohin man aussteigt. Was soll denn woanders besser sein? Keine Arbeit? Jeden Tag Sonnenschein?

Ich würde mich lieber Folgendes fragen: Wo sorge ich dafür, dass meine Umgebung menschlich und freundlich ist? Und: Habe ich alles getan, um meine Situation zu verbessern? Ich für meinen Teil träume nicht vom Aussteigen. Weil ich mir kein schöneres Leben vorstellen kann, als das, was ich habe. Natürlich gibt es Phasen, in denen ich unzufrieden bin. Aber ich sehe das als machbare Herausforderung. Die Störfaktoren beziehen sich nie auf mein ganzes Lebenskonzept, sondern immer nur auf Teile davon. Das ist der Grund, warum ich mein gewohntes Leben nicht hinter mir lassen möchte. Im Großen und Ganzen stimmt der Platz, an dem ich mich befinde.